Wissen #1: Lean Canvas I
Lean Canvas Teil I - Business Modelling in der Planungsphase
Google Maps für euer Geschäftsmodell
Was ist der Nutzen von Google Maps während der Reiseplanung? Es bringt das Reiseziel ins Verhältnis zu einer Ausgangsposition und beschreibt den effizientesten Weg. So ähnlich gestalten sich auch die Anforderungen in der Planungsphase der Gründung. Genau hier setzt das Lean Canvas an: Ausgehend von den Problemen oder dem Bedarf der Anspruchsgruppen (Kunden) wird eine Lösung skizziert, die einen entsprechenden Nutzen aufzeigt. Dieser Nutzen ist als das Wertversprechen an den Kunden zu verstehen und ist omnipräsent (auch über die Planung hinaus). Sukzessive werden weitere relevante Inhalte angefügt. Somit ist die "Gründungs-Landkarte" fertig gezeichnet und das Projekt kann beginnen.
Der Nutzen liegt also im Einbeziehen aller relevanten Anspruchsgruppen, der Fokussierung auf den Kundennutzen und der ganzheitlichen Erweiterung mit zusätzlichen, relevanten Aspekten.
Ursprung
Bevor im Detail auf die einzelnen Bestandteile des Lean Canvas eingegangen wird, soll ein kurzer Ausflug zur
Entstehung des Tools unternommen werden. In seinem 2010 erschienenen Buch "Running Lean" beschreibt Ash Maurya das Lean Canvas als einen "einseitigen Business Plan". Sein Hauptaugenmerk liegt auf der Suche nach Kundenproblemen, die es wert sind, gelöst zu werden. Passenderweise bewirbt er das Modell mit dem Spruch: "Life’s too short to build something nobody wants!" Das Leben ist zu kurz um etwas zu erschaffen, was niemand will! (leanstack.com, 2018)
Ablauf der Planung
Das Lean Canvas setzt sich aus neun einzelnen Bausteinen zusammen. Die Reihenfolge in der diese durchlaufen werden, variiert abhängig von den entsprechenden Anforderungen. Zur initialen Orientierung möchte ich allerdings hier meine Vorstellung eines "idealen" Ablaufes darstellen. Zu Beginn ist noch zu vermerken, dass pro Gründungsvorhaben nicht zwangsläufig nur ein Canvas erstellt wird. Es kann durchaus sein, dass auf Grund verschiedenster Nutzer- und Kundengruppen, mehrere, unterschiedliche Canvas’ erstellt werden müssen.
Kundensegmente
Kunden und Nutzer
“Wer sind die Kunden und Nutzer der Ergebnisse?”
Hier werden die entsprechen Anspruchsgruppen hinterlegt. Was aber ist der Unterschied zwischen Kunden und Nutzern? Nicht in jedem Fall unterscheiden sich Kunden und Nutzer. Zur Differenzierung kann jedoch das Kriterium Zahlung herangezogen werden. Kunden zahlen für das Produkt. Ebay lässt Bieter kostenlos einkaufen. Der Verkäufer hingegen zahlt einen prozentualen Abschlag. Der Bieter ist diesem Fall Nutzer und der Verkäufer der Kunde. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Anspruchsgruppen Kunden und Nutzer initial das Problem liefern und im weiteren Verlauf die wichtigste Quelle für Feedback und somit für die Weiterentwicklung des Projekts darstellen.
Early Adopter
Der Early Adopter ist der ideale Kunde bzw. Nutzer. Er ist jemanden, der ohne große Bedenken bereit ist, Feedback zu geben und eure Ideen zu testen. Er hat bereits geeignetes Vorwissen und versteht euren Lösungsansatz besser als andere Kunden und Nutzer.
Probleme
“Beschreibe die 1-3 größten Probleme deiner Kunden!”
Dieser Abschnitt ist mindestens genauso wichtig, wie die Findung von Kunden und Nutzern selbst. Dies ist die Grundlage für jedes Produkt, denn ohne Problem gibt es keinen Grund, eine Lösung zu konzipieren. Je nach Grad der Unterteilung in Kunden und Nutzer, gilt es auch hier, die entsprechende Unterteilung vorzunehmen. So können die richtigen Probleme den richtigen Anspruchsgruppen zugewiesen werden.
Wettbewerbsvorteil
“Etwas, dass es anderen schwer macht, die Lösung zu kopieren!”
Warum ist das angestrebte Produkt besser als ein mögliches Konkurrenzprodukt? Was strebt ihr an, das die bestehenden Alternativen nicht schon liefern? Hiermit steht und fällt die weitere Aktivität im Rahmen der Gründung.
Lösungen
“Beschreibe eine Lösung für jedes der Probleme.”
Nun geht es um die eigentliche Arbeit im Projekt, das Generieren einer Lösung. Wie löst ihr die Probleme von Kunden und Nutzern?
Value Proposition (Nutzenversprechen)
“Eine einfache, klare Botschaft, die erklärt, warum deine Lösung anders und beachtenswert ist!”
Dies ist der zentrale Aspekt des Lean Canvas und somit auch des Gründungsvorhabens. Das eigentliche Ziel. Diese Botschaft fasst in einfacher Form zusammen, was der Kunde/Nutzer von eurem Unternehmen zu erwarten hat. Es ist quasi die Antwort auf die Frage: “Warum sollte mich das Produkt interessieren?”
Am einfachsten lässt sich das Konzept anhand eines Beispiels näher bringen. Airbnb nutzt z. B. die Botschaft: “Buche einzigartige Unterkünfte und erlebe die Stadt wie ein Einheimischer”. Es wird zunächst auf die Lösung eingegangen (“Buche einzigartige Unterkünfte”), um dann im zweiten Teil den Mehrwert für den Nutzer herauszustellen (“... erlebe die Stadt wie ein Einheimischer”). Dem Leser wird sofort klar, was er von der Nutzung hat. Die Frage, warum Airbnb zu nutzen sei, ist beantwortet.
Wettbewerbsangebot
Dieses Feld ist entscheidend und steht in besonderem Zusammenhang mit dem Wettbewerbsvorteil. Die Frage, die sich im Rahmen jeder Gründung aufdrängen sollte, lautet: “Gibt es Alternativen zum angestrebten Produkt?” Vor allem solche, die mit weniger Zeit- und Kostenaufwand zu realisieren sind, sind an dieser Stelle von Relevanz.
Kennzahlen
“Welche messbaren Zahlen zeigen, ob die Lösung funktioniert?”
An dieser Stelle wird das Vorhaben quantifiziert und messbar gemacht. Mit Hilfe von geeigneten Kennzahlen, soll Stück für Stück validiert und das Ergebnis reproduzierbar gemacht werden. Mögliche Fragen in der Kennzahlenfindung lauten:
Hat der Kunde/Nutzer tatsächlich das von mir angenommene Problem?
Funktioniert meine Lösung/stiftet sie Mehrwert?
Wird der angestrebte Nutzen erreicht?
Wie gut funktioniert welcher Kanal?
Sind die Kosten zu hoch?
u. v. m.
Diese Fragen bilden den Ausgangspunkt. Von hier an muss nun die Frage beantwortet werden:”Wie kann ich das messbar machen?"
Kanäle
“Auf welchem Weg erreichst du deine Kunden?”
Wie werden Kunden erreicht? Was für unterschiedliche Touchpoints gibt es (z. B. Pre-Sale, At-Sale, Post-Sale)? Das Hauptaugenmerk liegt auf der Entwicklung des Produktes ausgehend vom Kunden/Nutzer. Das hierfür notwendige Feedback, wird über die entsprechenden Kanäle bezogen. Die Kanäle spielen darüber hinaus eine entscheidende Rolle bei der Ermittlung der Kennzahlen. Möchte man beispielsweise einen Blog einrichten, stellt sich folgende Frage: “Wie kann ich sichergehen, ob meine Nutzer tatsächlich einen Mehrwert daraus ziehen?” Die Antwort ist von entscheidender Bedeutung für die weitere Vorgehensweise. Es muss also ein geeigneter Kanal gefunden werden, um die Nutzer zu befragen. Darüber ist eine mit dem Kanal in Verbindung stehende Kennzahl nötig, um den Erfolg zu messen. In diesem Beispiel könnte der Kanal der Newsletter sein mit einem Verweis zu einer ersten Demo-Blog Seite. Die Click Through Rate gibt dann Aufschluss über das Nutzerverhalten.
Kosten
“Welcher Aufwand ist mit der Durchführung verbunden?”
Hier sind alle Kosten zu nennen, die im weiteren Verlauf des Gründung anfallen, beispielsweise:
Personalkosten
Schulungskosten
Entwicklungskosten
Marketing
Materialkosten
u. v. m.
Generierter Nutzen
“Welcher Mehrwert wird generiert?”
Das Lean Canvas fasst an dieser Stelle den durch das Produkt generierten Umsatz zusammen. Das heißt, dass an dieser Stelle die entsprechenden Möglichkeiten zur Umsatzgenerierung auf die Pricing-Modelle treffen.
Zusammen mit den Kosten kann anschließend ein erster Blick auf die Profitabilität geworfen werden. Zum Beispiel kann der Umsatz pro Kunde mit den direkten Kosten pro Kunden verglichen werden. Auf diese Weise könnt ihr abschätzen, wie viele Kunden benötigt werden, um einerseits anfallende Fixkosten zu decken. Andererseits könnt ihr auf diese Weise euren Gewinn prognostizieren.
Im zweiten Teil zum Lean Canvas geht es um die Durchführung eures Vorhabens und wie das Lean Canvas euch hier unterstützen kann.
Veröffentlicht am 27.04.2021
Autor: Marcel Heine